News > Verkehrsentwicklung braucht neue Ideen

Ittigen, 26.10.2012 - Die Schweizer Strassen- und Schienennetze sind häufig am Limit ihrer Kapazitäten. Doch ein Ausbau ist finanziell, aber auch aus räumlichen und ökologischen Überlegungen nur begrenzt tragbar. Deshalb lotet die Fachzeitschrift «Forum Raumentwicklung» mögliche Alternativen zur blossen Kapazitätserweiterung aus. Klar ist, dass Raumordnungs- und Verkehrspolitik noch stärker als bisher koordiniert werden müssen.
Eine steigende Bevölkerung und ein höherer Wohnflächenbedarf pro Kopf lassen die Schweizer Siedlungsfläche Jahr für Jahr weiter anwachsen. Damit geht ein Verkehrswachstum auf Strasse und Schiene einher. Eine Folge ist die zunehmende Zersiedelung der Schweiz, die auch in der Öffentlichkeit immer stärker als drängendes Problem wahrgenommen wird.
Die neue Ausgabe des «Forums Raumentwicklung» des Bundesamts für Raumentwicklung ARE beschäftigt sich deshalb mit der Frage, wie sich der Verkehr in der Zukunft gestalten lässt, ohne dass Landschaft und Umwelt weiter stark beeinträchtigt werden.
Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, die Raumordnungs- und Verkehrspolitik besser aufeinander abzustimmen. Nur so können die gemeinsamen Ziele in beiden Politikbereichen systematisch verfolgt werden. Grundlage sind die vom Bundesamt für Raumentwicklung für den Personen- und Güterverkehr entwickelten Verkehrsmodelle. Sie liefern eine wichtige Basis für das Programm «Engpassbeseitigung Nationalstrassen» des Bundesamts für Strassen, das strategische Entwicklungsprogramm «Bahninfrastruktur» des Bundesamts für Verkehr, die «Energiestrategie 2050» des Bundesamts für Energie sowie für Umweltanalysen zu Lärm und Schadstoffen des Bundesamts für Umwelt.
Angesichts des starken Verkehrswachstums der Vergangenheit und der für die kommenden Jahrzehnte prognostizierten Zunahme sind neue Ideen gefragt. Der Tessiner Volkswirtschaftsprofessor Rico Maggi plädiert unter anderem dafür, die Fahrzeiten im öffentlichen Verkehr nicht weiter zu verkürzen, sondern im Gegenteil die Zahl der Fahrten zu plafonieren. Zudem könnte die Schiene für den Güterverkehr attraktiver werden, indem man auf eine Taktverdichtung beim Personenverkehr verzichtet, dafür Slots vergibt für Shuttlezüge, die mit neuer Kleincontainer-Technologie ausgerüstet werden.
Die Verkehrsmodelle lassen ein weiteres starkes Verkehrswachstum erwarten – doch wann ist die Grenze erreicht? Jürg Dietiker, Ingenieur und Planungsethiker, weist im Interview darauf hin, dass das menschliche Bedürfnis nach Mobilität im Prinzip unersättlich ist. Auch den Begriff der «Nachhaltigkeit» zieht er in Zweifel: «Zwar entstehen eine Reihe von Projekten, die jedes für sich allein betrachtet nachhaltig ist.» Doch am Schluss komme die Umwelt, die man eigentlich schützen wollte, dennoch abhanden, warnt Dietiker. Statt sich mit kosmetischen Verbesserungen und der Beseitigung von Engpässen aufzuhalten, empfiehlt er eine politische Wertedebatte zu Landschaft und Ressourcen. Nur so werde den natürlichen Grenzen Rechnung getragen. Erst nach dieser grundlegenden Klärung mache es Sinn, weitere Projekte im Verkehrsbereich in Angriff zu nehmen.



Veröffentlicht am
13:04:03 15.11.2012